Beim Thema E-Books gibt es so einige Fachbegriffe und Abkürzungen, die auf den ersten Blick etwas verwirrend wirken können. Das ist bei digitalen Produkten normal. Gerade in der digitalen Welt werden häufig englische oder zusammengesetzte Wörter verwendet. Einer davon ist Onleihe. Wofür dieser Begriff steht und was sich dahinter verbirgt, will ich in diesem Artikel kurz zusammenfassen.
Was bedeutet Onleihe?
Manche können sich anhand des Begriffs vermutlich bereits denken, worum es hier geht, selbst wenn sie das Wort Onleihe zum ersten Mal lesen. Es ist genau wie E-Book bzw. eBook ein Wort, das sich aus zwei anderen Wörtern zusammensetzt. Bei eBook sind das e(lectronic) und Book (Buch). Der Begriff Onleihe setzt sich aus Online und Ausleihe zusammen.
Hierbei handelt es sich also grob gesprochen um eine Online-Bibliothek. Verschiedene Bibliotheken in Deutschland, Österreich, der Schweiz und anderen teilweise deutschsprachigen Ländern (was beispielsweise auf Teile von Ost-Belgien zutrifft) haben sich hierfür zu einem Verbund zusammengeschlossen. Dieser Verbund wurde bereits im Jahre 2007 gegründet. Die Bibliotheken haben also recht früh auf die digitale Konkurrenz reagiert. Weitere Informationen gibt es auf der offiziellen Webseite.
Das Prinzip der Onleihe ist im Laufe der Jahre immer weiter angewachsen. Laut Süddeutscher Zeitung kamen im Jahre 2020 ganze 40% der gelesenen (bzw. gekauften/geliehenen) E-Books aus der Quelle Onleihe (Quelle). Der Begriff kommt mittlerweile sogar im Duden vor, was für die Verbreitung der Technik spricht.
Wie funktioniert Onleihe?
Das Ganze funktioniert im Prinzip wie in einer normalen Bibliothek, in der man gedruckte Bücher ausleihen kann. Nur wurde das Prinzip hier auf E-Books übertragen. Es gibt aber neben der Art des Buches auch noch andere Unterschiede zwischen der klassischen Ausleihe von Büchern und der Onleihe.
Das Ganze funktioniert nun wie folgt: Man muss Mitglied einer teilnehmenden Bibliothek sein und einen E-Book-Reader registrieren. Andernfalls kann man auch die Onleihe-App nutzen. Damit kann ein E-Book beispielsweise auf dem PC oder einem Tablet gelesen werden.
Das E-Book enthält einen Kopierschutz bzw. DRM. Damit wird gesteuert, dass das Buch nicht länger genutzt werden kann als die Leihfrist. Denn wie bei physischen Büchern gibt es auch bei eBooks eine Leihfrist. Nach Ablauf dieser Frist kann das Buch nicht mehr weitergelesen werden. Dies geschieht automatisiert und der Nutzer muss sich keine weiteren Gedanken machen. Obwohl es sich um ein digitales Produkt handelt, das keinen Platz wegnimmt, gibt es trotzdem nur eine beschränkte Anzahl an Exemplaren. Ist ein Exemplar verliehen, muss wie bei einem „normalen“ Buch gewartet werden, bis es wieder frei wird.
Vorteile von Onleihe
Rund um die Uhr erreichbar
Während bei einer normalen Bibliothek die Öffnungszeiten zu beachten sind, muss man sich bei der Onleihe darum keine Gedanken machen. Der Dienst ist 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche erreichbar. Das ergibt ja auch Sinn. Warum sollte man eine Webseite bzw. einen technischen und automatisierten Dienst zu bestimmten Zeiten abschalten?
Automatisierte Rückgabe
Diesen Punkt habe ich weiter oben schon kurz angesprochen. Ein E-Book muss nicht selbst zurückgegeben werden, also auch nicht per Klick. Man kann das E-Book nach Ablauf der Frist einfach nicht mehr lesen. Wichtig ist also nur, das Buch innerhalb der Frist ganz zu lesen, damit man es nicht erneut ausleihen muss. Alles andere geschieht automatisch.
Keine Mahngebühren
Dies hängt direkt mit dem obigen Punkt der automatisierten Rückgabe zusammen. Wenn man ein Buch nicht selbst zurückgeben muss, sondern das automatisch geschieht, kann man natürlich das Buch auch nicht zu spät zurückgeben. Im klassischen Bibliotheksbetrieb fallen bei einer verspäteten Rückgabe Mahngebühren an (ich kann aus meiner Studentenzeit ein Lied davon singen). Diese entfallen bei der Onleihe.
Geringe Kosten
Außer der Mitgliedschaft in einer der teilnehmenden Bibliotheken entstehen keine weiteren Kosten. Und die Kosten für die Mitgliedschaft sind i.d.R. sehr gering. Ich persönlich bin z.B. Mitglied in der Stadtbibliothek Koblenz und zahle dafür 20 Euro im Jahr. Für diesen Preis kann ich dann – sofern verfügbar – so viele Bücher und auch E-Books ausleihen, wie ich will.
Keine Gebrauchsspuren
Auch wenn die gedruckten Bücher in Bibliotheken meiner Erfahrung nach meistens in einem guten Zustand sind, kann es zu Knicken, Vergilbungen oder Kritzeleien kommen. Bei einem digitalen Produkt entstehen diese Gebrauchsspuren nicht. Dieser Punkt ist natürlich Geschmackssache. Ich selbst habe nichts gegen gebrauchte Bücher, andere Leute aber schon.
Zudem gelten natürlich die weiteren Vorteile von E-Books allgemein.
Kritikpunkte zur Onleihe
Neben einigen Vorteilen gibt es aber auch Kritikpunkte an dem Format der Onleihe.
Finanzielle Nachteile für Autoren und Verlage
Autoren und Verlage erhalten zwar auch bei der Onleihe ein Honorar, aber man kann sich ungefähr ausmalen, wie „hoch“ dieses ausfällt. Weiter oben schrieb ich ja, dass ich 20 Euro für eine jährliche Mitgliedschaft der Bibliothek zahle. Davon bleibt natürlich nicht allzu viel übrig, wenn die Kosten für die Bibliothek selbst abgezogen werden. Der Vorteile der geringen Kosten für Nutzer verwandelt sich also in einen Nachteil für andere Beteiligte. Das gleiche gilt natürlich auch für den Buchhandel. Denn wer ein E-Book ausleiht, wird es in den meisten Fällen nicht auch noch zusätzlich kaufen.
Man könnte nun natürlich einwenden, dass dieses Problem ja auch bei gedruckten Büchern und der traditionellen Arbeit der Bibliotheken entsteht. Allerdings gibt es hier einige Hindernisse, wie die Öffnungszeiten oder der Fakt, dass es nicht überall Bibliotheken gibt. Diese Hindernisse sind bei der Onleihe nicht vorhanden. Einige Verlage haben auf dieses Problem reagiert, indem sie manche E-Books erst nach einer bestimmten Wartezeit nach Erscheinen des Buches für die Onleihe zur Verfügung stellen.
Leihfrist
Wie oben beschrieben gibt es auch hier eine Leihfrist und das E-Book kann nach Ablauf dieser nicht mehr verwendet werden. Einige Nutzer kritisieren, dass dies umständlich ist und zu Zeitdruck führt. Denn die Leihfrist kann nicht verlängert werden. Gerade bei längeren Büchern kann das natürlich zu Problemen führen. Man muss wirklich genau darauf achten, das Buch vor Ablauf der Frist fertig gelesen zu haben. Ansonsten ist es möglich, dass das E-Book einfach weg ist, wenn der spannendste Teile gerade erst kommt.
Die Leihfrist wird von den teilnehmenden Bibliotheken selbst festgelegt. Sie beträgt aber maximal 21 Tage, was bei längeren Büchern schon knapp werden kann. Die Frist kann, wie bereits erwähnt, nicht verlängert werden. Man müsste das E-Book also erneut ausleihen, wenn es vom eigenen Gerät verschwunden ist.
Vergleich mit Kindle Unlimited
Amazon Kindle bietet mit Kindle Unlimited ein ähnliches System an. Es ist im Prinzip ein Flatrate-System oder eine Art Netflix für E-Books. Aktuell zahlt man hier 9,99 Euro im Monat und kann dafür unbegrenzt Kindle E-Books lesen. Es gelten die gleichen Vor- und Nachteile des Kindle-Systems, die ich bereits im verlinkten Artikel geschildert habe. Autoren enthalten von Amazon ein Honorar, dass sich anhand von gelesenen Seiten berechnet. Laut eigener Aussage waren es im Jahr mehr als 300 Millionen US-Dollar, die so an Autoren flossen. Mir ist keine Statistik bekannt, wie hoch das Gesamthonorar bei der Onleihe ist.
Der Preis ist also bei der Onleihe i.d.R. niedriger (nur der Beitrag für die Bibliothek), dafür ist Kindle Unlimited unkomplizierter. Es ist keine Anmeldung in einer Bibliothek nötig und es gibt auch keine Leihfrist. Ich will mir nicht anmaßen, eine Einschätzung dazu abzugeben, was vorteilhafter (oder weniger Nachteilhaft) für Verlage und Autoren ist. Dafür fehlen mir konkrete Zahlen und eigene Erfahrung.